Die Bedrohung durch gebietsfremde Arten nimmt zu

IPBES-Bericht vom 4. September 2023

Gebietsfremde Arten, auch Neobiota genannt, sind Pflanzen (Neophyten), Pilze (Neomyzeten), Tiere (Neozoen) und Mikroorganismen, die durch den Menschen in Gebiete gelangen, die sie aus eigener Kraft nicht erreichen könnten.

Der Weltbiodiversitätsrat IPBES hat am 4. September 2023 ein neues Gutachten zu invasiven gebietsfremden Arten und deren Kontrolle veröffentlicht. IPBES ist ein UN-Gremium zur wissenschaftlichen Politikberatung für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt und der Ökosystemleistungen.

Invasive gebietsfremde Arten gelten als eine der fünf wichtigsten direkten Triebkräfte für die Veränderung der Natur weltweit.

Weitere Treiber sind

  • die Veränderungen der Land- und Meeresnutzung
  • die direkte Ausbeutung von Organismen
  • der Klimawandel
  • die Umweltverschmutzung

Der aktuelle IPBES-Bericht kommt zu dem Schluss, dass Tiere und Pflanzen, die sich in Gebiete außerhalb ihrer Heimat ausbreiten, einer der Hauptursachen für den weltweiten Artenrückgang sind.

Invasive gebietsfremde Arten sind besonders problematisch, da sie negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, lokale Ökosysteme und Arten haben. Viele invasive gebietsfremde Arten haben auch Auswirkungen auf die Leistungen der Natur für den Menschen und auf die Lebensqualität. Der wirtschaftliche Schaden ist laut IPBES-Bericht enorm (mindestens 423 Milliarden US-Dollar / Jahr) und steigt von Jahr zu Jahr. An der Erstellung des Berichts waren rund 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt beteiligt.

Gebietsfremde Arten werden durch menschliche Aktivitäten absichtlich oder unabsichtlich eingeführt und verbreitet. Wenn sich diese Arten ungehindert ausbreiten können, spricht man von einer biologischen Invasion.

Dem IPBES-Bericht zufolge wurden mehr als 37.000 gebietsfremde Arten durch menschliche Aktivitäten in alle Regionen und Biome (Biom = vorherrschende Lebensgemeinschaft bzw. vorherrschendes Ökosystem) der Erde eingeschleppt.

Gebietsfremde Pflanzen (Neophyten)

Wenn Imker an gebietsfremde Arten denken, fallen ihnen sicher sofort das drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera, auch Indisches oder Rotes Springkraut genannt), die kanadische Goldrute (Solidago canadensis) oder der Japanischen Staudenknöterich (Fallopia japonica) ein. Diese Pflanzen sind bei manchen Imkern als späte Bienenweide im Jahr sehr beliebt. Wer sich etwas näher mit diesen Pflanzen beschäftigt, wird feststellen, dass diese Neophyten an bestimmten Plätzen die heimischen Pflanzenarten völlig verdrängen. An so manchem Bach in Österreich findet man nur noch das drüsige Springkraut. Die ursprünglich dort vorkommenden Pflanzen wie Brennnesseln, Sumpfdotterblumen, Wasserdost, Schwertlilie etc. sind völlig verdrängt. Gerade Brennnesseln gelten als Kinderstube und Nahrungsquelle für viele Schmetterlingsarten. Ohne sie geht es auch unseren Schmetterlingen schlecht. Und ihr Verschwinden hat weiterreichende Folgen. Das Ausmaß der zukünftigen Bedrohung durch invasive gebietsfremde Arten ist aufgrund der komplexen Wechselwirkungen und Rückkopplungen zwischen direkten und indirekten Triebkräften des Naturwandels schwer vorherzusagen. So verursacht z.B. das Springkraut durch seine dicken, kurzen Wurzelballen auch Erosionen an Uferböschungen. Betrachtet man die weltweite Verbreitung dieser invasiven Neophyten, wird das Ausmaß der Bedrohung deutlich.

Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera)

Das aus Indien stammende Springkraut hat sich bereits über den gesamten Globus ausgebreitet. Besonders invasiv breitet es sich in Europa aus. Es wurde bereits 1839 als Zierpflanze in Großbritannien eingeführt. Als die Pflanze nach Europa kam, war sie anfänglich sehr beliebt. Seither aber breitet es sich invasiv aus. Auch Imker, die das Springkraut als Bienenweide anpflanzten, trugen wesentlich zur Ausbreitung bei. Heute wird die Ausbreitung in der Nähe landwirtschaftlich genutzter Flächen durch den Anstieg des Stickstoffgehalts im Boden beschleunigt. Das Springkraut kann also Veränderungen unserer Böden (Anreicherung mit Stickstoff und Phosphaten) zusätzlich als Beschleuniger für seine Ausbreitung nutzen.

Kanadische Goldrute (Solidago canadensis) und Japanischer Staudenknöterich (Fallopia japonica)

Ähnliches gilt für die Kanadischen Goldrute, die sich von ihrer ursprünglichen Heimat Nordamerika bereits invasiv über ganz Europa, Asien und Australien ausbreitet, oder für den Japanischen Staudenknöterich, der sich in Europa ähnlich wie das Springkraut invasiv ausbreitet. Diese Pflanze kann zwischen 10 und 30 cm pro Tag wachsen.

Robinie (Robinia pseudoacacia)

Ein weiterer Imkerfreund ist die Robinie, die den Akazienhonig liefert. Wegen der hohen Trachterträge wandern vor allem Imker aus Westösterreich in die Akaziengebiete Ostösterreichs. Die Robinie wurde in Deutschland zum Baum des Jahres 2020 gewählt. Ihre Schattenseiten zeigen sich erst nach Jahren. Sie reichert den Boden, auf dem sie wächst, stark mit Stickstoff an und kann sich über Wurzelausläufer rasch ausbreiten. Damit wird sie zur Bedrohung für alle heimischen Pflanzen, die auf Mager- oder Trockenrasen angewiesen sind. Nährstoffarme Standorte sind bereits zu seltenen und wertvollen Ökosystemen geworden. Ihr Schutz trägt dazu bei, auf diesen Lebensraum spezialisierte Arten zu erhalten.  In der Schweiz steht die Robinie bereits auf der Schwarzen Liste der invasiven Arten. Nach dem Fällen treibt die Robinie aus dem Wurzelstock rasch neue Triebe aus. Die Robinie ist daher nach dem Fällen in der Regel rasch wieder stärker als vorher. Um eine Robinie zu vernichten, muss die Wasser- und Nährstoffzufuhr langsam unterbrochen werden.

Wurzelschösslinge einer im Vorjahr gefällten Robinie. Die invasive Kraft der Pflanze wird deutlich.

Abschließend kann zu den von uns Imkern oftmals als Trachtgewinn bezeichneten Neophyten gesagt werden, dass diese langfristig auch für uns problematisch werden.

Wenn es in der Natur nur noch wenige Pflanzenarten gibt, haben auch unsere Bienen mit einer Mangelernährung (monoflorale Ernährung) zu kämpfen.

Weitere Neophyten (Kirschlorbeer und Co)

Nicht unerwähnt bleiben dürfen bei den gebietsfremden Pflanzenarten der aus Kleinasien stammende Kirschlorbeer (Prunus laurocerasus) und die aus Nordamerika und Ostasien stammende Thuja, die sich in unseren Gärten als Hecken großer Beliebtheit erfreuen. Während die Thuja nur durch ihren sehr hohen Wasserbedarf negativ auffällt, gilt der Kirschlorbeer als invasive Art. Für diese beiden giftigen Heckenpflanzen gäbe es heimische Alternativen, welche auch für die Tierwelt viel vorteilhafter wären.

Gebietsfremde Tierarten (Neozoen)

Wenn wir von einer gebietsfremden Tierart sprechen, denken wir Imker sicherlich sofort an die Varroa-Milbe. Auch diese muss ironischerweise als menschlicher Exportschlager bezeichnet werden. Wir Menschen haben ihr geholfen, sich weit über ihr natürliches Verbreitungsgebiet hinaus auszubreiten. So ist die Varroa-Milbe bis auf ganz wenige Ausnahmen bereits weltweit in Bienenstöcken anzutreffen. Ähnliches ist für den Kleinen Beutenstockkäfer und die Vespa velutina zu befürchten.

Wie auch in unserem Hinweis vom 15.9.2023 zu lesen ist, befindet sich die Vespa velutina bereits im Anmarsch auf Österreich.

Pathogentransfer

Zu wenig beachtet, weil nicht offensichtlich, ist die Übertragung von Krankheitserregern im Zusammenhang mit der Einführung gebietsfremder Arten (Pathogentransfer). So ist es möglich, dass Infektionserreger von eingeführten Honigbienen auf andere Arten übertragen werden. So werden beispielsweise die mit der Varroamilbe assoziierten Viren (Flügeldeformationsvirus, akuter Bienenparalysevirus, Sackbrutvirus) und der einzellige Parasit, Nosema ceranae auf Wildbienen übertragen.

Der gemeinsame Blütenbesuch der verschiedenen bestäubenden Insekten gilt als Hotspot für den Erregeraustausch.

So tritt der Flügeldeformationsvirus bereits bei einigen Hummelarten auf. Auch Nosema ceranae ist durch Übertragung von Apis cerana auf Apis mellifera zu uns gekommen. Nosema ceranae wurde bereits bei verschiedenen Hummelarten, Wespen und Käfern nachgewiesen. Bei Hummeln kann das Virus letale und subletale Auswirkungen haben.

Leider gibt es immer noch Imker, die sich um den Import fremder Bienenrassen bemühen. Meist mit dem Ziel, diese in ihre Kreuzungszucht (Buckfast-Zucht) einzubauen und damit ihre persönlichen Zuchtziele zu verwirklichen. Unter dem Deckmantel der Varraotoleranzzucht, absoluter Schwarmträgheit oder enormer Honigerträge wird dabei so manche Importbestimmung oder Regelung des hiesigen Bienenwirtschaftsgesetzes geflissentlich ignoriert. Bienenköniginnen und Zuchtmaterial können schließlich einfach per Brief verschickt werden. Oft wird dann auch noch argumentiert, dass die daraus entstehenden Kunstbienen ja nur dem Wohle der Allgemeinheit dienen und alle Hobbyimker, die weiterhin Standbegattung betreiben wollen, von diesen Errungenschaften profitieren werden. So wird aus einem Täter schnell ein Wohltäter. Aus einem Imker-Neuling wird mit ein paar Wochenend-Besamungskursen schnell ein Zuchtexperte, der weder die genetischen Zusammenhänge verstehen noch die Tragweite seines Handelns voll abschätzen kann. Ob die von ihm gezüchteten Kunstbienen nun ein Segen für die Allgemeinheit sind, darf bezweifelt werden.

Was ist zu tun?

Das IPBES-Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die Einschleppung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten verhindert und kontrolliert werden kann und dass es eine breite Palette von Möglichkeiten gibt, die Ausbreitung und die Auswirkungen invasiver Arten zu bekämpfen.

Die Ein- und Ausfuhr gebietsfremder Arten ist ökologisch kritisch und daher strikt abzulehnen.

Prävention und Vorsorge sind die kostenwirksamsten Optionen. Nur durch ein effektives Management können die negativen Auswirkungen gebietsfremder Arten im großen Umfang verhindert oder verringert werden. Streng durchgesetzte Einfuhrkontrollen sind daher ein Gebot der Stunde. Leider investieren derzeit nur wenige Staaten in den Kampf gegen biologische Invasionen.

Im Kleinen kann aber jeder von uns einen wertvollen Beitrag leisten.

Neophyten durch einheimische Pflanzen ersetzen (siehe auch unser Artikel über Trachtpflanzen)

Imker sollten nur unsere einheimischen Bienenrassen verwenden.

Königinnen und Bienenvölker sollten von Imkerinnen und Imkern nur regional und aus seriösen Quellen bezogen werden.

Die Imkerinnen und Imker müssen in der Ausbildung stärker für dieses Thema sensibilisiert werden.

Gemeinsam müssen wir versuchen, nicht noch mehr Lebensräume zu zerstören und den Reichtum unserer heimischen Fauna und Flora zu erhalten. Sonst sieht es über kurz oder lang auch für unsere Bienen und unsere Imkerei nicht gut aus.

Abschließende Worte

Wir sind uns bewusst, dass wir mit diesem Artikel ein Thema ansprechen, das innerhalb der Imkerschaft sehr kontrovers diskutiert wird. Auf der einen Seite gibt es Imker, die verschiedene Neophyten (z.B. Springkraut) befürworten und sogar bewusst verbreiten, auf der anderen Seite gibt es Imker, die Neophyten sofort ausreißen. Ähnlich verhält es sich mit fremden Bienenrassen. Wir sind der Meinung, dass es klare Grenzen geben muss, sobald gebietsfremde Arten ökologisch problematisch werden und somit nicht unbedingt eine Bereicherung für die Umwelt darstellen. Und diese Grenzen werden ja auch durch verschiedene Verordnungen und Gesetze gesetzt. Aber natürlich können sich die Umweltbedingungen auch wieder ändern. Zum Beispiel durch den Klimawandel. Möglicherweise kann sich das Springkraut in Zukunft aufgrund steigender Durchschnittstemperaturen nicht mehr so invasiv ausbreiten wie bisher. Dann wird es auch für diese Arten neue Risikobewertungen geben und die Vorschriften können wieder gelockert werden. Bis dahin sind die bestehenden Bestimmungen aber einzuhalten.

Die Natur ist unsere oberste Richterin

Wir sind uns auch bewusst, dass unser Artikel nicht sofort alle gebietsfremden Arten eindämmen wird. Wir hoffen aber, mit unserem Artikel dem einen oder anderen die Augen geöffnet zu haben und in Zukunft mehr Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren.
In seiner Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele 2023 hat es der österreichische Nobelpreisträger Anton Zeilinger ja sehr treffend formuliert: „Die Natur ist unsere oberste Richterin“. Hoffen wir, dass wir mit Vernunft und Anstand in Zukunft wieder mehr im Einklang mit der Natur leben können.

Weiterführende Links:

Nachricht vom 31.08.2024

Die Schweiz macht mobil gegen den als Heckenpflanze beliebten Kirschlorbeer: Ab Sonntag 1.9.2024 darf die invasive Art in der Schweiz nicht mehr verkauft, verschenkt oder eingeführt werden. Siehe ORF-Nachricht vom 31.08.2024

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